Bereichsbild

2011

Michael Herron: "Blacks, Whites, and Hispanics"
Robin Einhorn: "Same as It Ever Was?"
Jennifer Culbert: "Reflections on the Death Penalty"
Lev Raphael: "Haunted By Germany"
Enjoy Jazz am HCA
Verleihung des Rolf-Kentner Preises 2011
Aldon Morris: "W.E.B. Du Bois and the Founding of American Sociology"
Susan Strasser: "Woolworth to Wal-Mart"
Kristin Hoganson: "Buying into Empire"
UniMeile am HCA
Amerikatag der Ruprecht-Karls-Universität
Manfred Berg: "Popular Justice"
Robert Isaak: "The Great Bluff"
Adam Tooze: "Never Again"
Tobias Endler: "After 9/11"
Todd Gitlin: "The Press and the Romance of the Financial Bubble"
Mischa Honeck: "We are the Revolutionists"
Stunde der Universität: "Brücken in die Neue Welt"
Hartmut Berghoff: "Lässt sich der Kapitalismus zähmen?"
Ausstellung "Der Kampf um die Bürgerrechte"

Michael Herron: "Blacks, Whites, and Hispanics: A Study of Race-based Residual Vote rates in Chicago"


Herron8. Dezember 2011

Warum gibt es bei Wahlen immer wieder Bürger, die zwar ins Wahllokal gehen, aber keine gültige Stimme abgeben? Im letzten Heidelberger Vortrag des Baden-Württemberg Seminars 2011 bot Michael Herron, Professor für Politikwissenschaft am Dartmouth College und an der Hertie School of Governance, seinem Publikum am HCA ein paar Antworten auf diese Frage. Er wies zunächst darauf hin, dass ethnische Zugehörigkeit ein wichtiger Faktor ist und dass weiße Wähler historisch weniger ungültige Stimmen abgeben als Angehörige von Minderheiten. Ein großer Teil der Literatur zu dieser Frage beschäftigt sich allerdings mit Wahlen, die vor der Verabschiedung des Help America Vote Act stattgefunden haben. Deswegen ist es nur folgerichtig, danach zu fragen, ob diese Auffälligkeiten fortbestehen, zumal auch die Technologie der Stimmabgabe vorangeschritten ist.

Eingedenk dieser Fragestellung zeigen Prof. Herrons Studien, dass selbst mit moderner Technik der Stimmabgabe, etwas optischem Scan, merkliche Unterschiede zwischen weißen, schwarzen und hispanischen Wählern hinsichtlich des Prozentsatzes ungültiger Stimmen fortbestehen. Dies trifft auf die Kommunalwahl in Chicago 2011 wie auf die Wahl in Illinois im Jahr zuvor zu. Zudem veränderte sich dieser Prozentsatz, wenn Kandidaten der eigenen ethnischen Zugehörigkeit zur Wahl standen. In Chicago findet sich der höchste Prozentsatz ungültiger Stimmen häufig unter hispanischen Amerikanern, und Prof. Herrons Untersuchungen fanden zahlreiche Fälle, in denen eine Gruppe ethnischer Wähler keine gültige Stimme abgaben, weil der Kandidat nicht ihre ethnische Zugehörigkeit besaß. Prof. Herron schloss daraus, dass der Prozentsatz ungültiger Stimmen immer noch eine ethnische Variable bei amerikanischen Wahlen reflektiert, wenn der Ablauf der Wahlen und die verwendete Technologie konstant bleiben. Außerdem sind die politischen Inhalte höchst relevant für die Zahl der ungültigen Stimmen. Prof. Herron beantwortete zahlreiche Fragen des Publikums, das jetzt gut informiert einem spannenden Wahljahr entgegensieht.

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Robin Einhorn: "Same as It Ever Was? American Tax Politics in Perspective"


Einhorn22. November 2011

Robin Einhorn beschloss die Novemberveranstaltungen des Baden-Württemberg Seminars am 22. des Monats. Die Geschichtsprofessorin an der University of California, Berkeley, und Autorin des Buches American Taxation, American Slavery gab dem Publikum einen äußerst lehrreichen Überblick über die Geschichte der Steuern in den USA: „Same as It Ever Was? American Tax Politics in Perspective“. Professor Einhorns Vortrag zeigte auf, warum die amerikanische Ablehnung von und die Angst vor Steuern so tiefgreifendend, breit und kontinuierlich ist. Von der frühen Kolonialzeit bis zum Bürgerkrieg waren es insbesondere die sklavenhaltenden Eliten, die eine starke demokratische Bundesregierung fürchteten.

Professor Einhorn legte dar, dass die hitzigen Debatten über Besteuerung, die Macht, Steuern zu erheben, und die Verteilung von Steuerlasten sich nicht notwendigerweise in einem Diskurs über persönliche Freiheit gründen. Sie entlarvte außerdem die antidemokratischen Ursprünge von Jeffersons Rhetorik über einen schwachen Staat, die sich anhaltender Beliebtheit erfüllt. Das faszinierte Publikum erfuhr zudem vieles über die komplexen und sich ständig verändernden Steuersysteme und ihr Verhältnis zur lokalen und zur Bundespolitik.

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Jennifer Culbert: "Reflections on the Death Penalty"


17. November 2011 Hca3045

Das Baden-Württemberg Seminar wurde im November mit einem Vortrag von Jennifer Culbert fortgesetzt. Sie ist Professorin für Politikwissenschaft und Direktorin des Graduiertenprogramms Politikwissenschaft an der Johns Hopkins Universität in Baltimore und Siemens Fellow an der American Academy in Berlin. Die Autorin des vielgelobten Buches Dead Certainty: The Death Penalty and the Problem of Judgment nahm ihr zahlreich erschienenes Publikum mit auf eine philosophische Tour de Force, welche die unterschiedlichen Argumente erläuterte, mit denen der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten seine Entscheidungen über Leben und Tod gerechtfertigt hat; als philosophisches Gerüst diente ihr dabei Nietzsches Konzept der „Wahrheit“.

Ausgehend von der Entscheidung Furman v Georgia, die 1972 die Todesstrafe als verfassungswidrig einstufte, interpretierte Prof. Culbert die nachfolgende Geschichte der Todesstrafe in den USA und konzentrierte sich dabei darauf, ob und wie der Gerichtshof seine Urteile basierend auf der „Wahrheit im außermoralischen Sinne“ fällte. Ihre faszinierenden Einsichten beinhalteten die Entscheidung, Aussagen der Opfer zuzulassen genauso wie den Diskurs der „neuen Abolitionisten“ um den Gouverneur Ryan aus Illinois und die Beweisführung mittels DNA. Darüber hinaus diskutierte Prof. Culbert auch einen aktuellen Fall, die hoch umstrittene Hinrichtung von Troy Davis in Georgia im September. Dabei betonte Prof. Culbert, dass ihre Analyse sich nicht für oder gegen die Todesstrafe richtet; vielmehr bot sie ihrem Publikum eine philosophisch überzeugende Schilderung, wie sich das Verfassungsgericht bemüht, die Todesstrafe zu legitimieren. Dieses Bemühen, so Culbert, enthüllt Essentielles über den Charakter der Bestrafung an sich. Wie zu erwarten schloss sich an den Vortrag eine äußerst lebhafte Diskussion an.

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Lev Raphael: "Haunted By Germany: Memories of a Jewish-American Author"


15. November 2011Raphael

Für die zweite Heidelberger Veranstaltung im Herbstprogramm des Baden-Württemberg Seminars konnten wir den jüdisch-amerikanischen Autor Lev Raphael am HCA begrüßen. Er gilt als Pionier des Genres der „Zweiten Generation“ in den USA. Aus seinen zahlreichen Publikationen hatte er für seinen Vortrag Episoden aus seinen Memoiren My Germany ausgewählt, das von seinen ersten Reisen durch Deutschland handelt, dem Land, das ihn seit seiner Kindheit verfolgt hat. Nach einer Einführung durch Janet Miller, Konsulin für öffentliche Angelegenheiten des U.S. Konsulats in Frankfurt, entführte Lev Raphael sein Publikum in das New York der Nachkriegszeit, wo er als Kind von Holocaust-Überlebenden aufwuchs.

Seine Eltern, deren Familien aus Litauen und der Tschechoslowakei stammten, hatten sich bei Kriegsende im Hillersleben Displaced Persons Camp bei Magdeburg kennengelernt, nachdem seine Mutter aus der Polte Munitionsfabrik geflohen und sein Vater aus einem der Evakuierungszüge aus Bergen-Belsen befreit worden war. Nachdem sie einige Jahre in Belgien verbracht hatten, waren Lev Raphaels Eltern in die USA emigriert, wo er und sein Bruder aufwuchsen – verfolgt von den Gespenstern der Vergangenheit. Lev Raphael fesselte seine Zuhörer mit Geschichten aus einem Elternhaus, das klassische Musik verehrte aber nie eine Platte der Deutschen Grammophone anschaffte; in dem der Ankauf von Haushaltsgeräten schwierig war, weil sie nicht aus Deutschland stammen durften; und in dem selbst schöne Erinnerungen gefährlich werden konnten, weil sie unweigerlich zu traumatischen Ereignissen führten. Dieser Hass auf alles Deutsche prägte Lev Raphaels jüdische Identität, sein Leben und seine Berufslaufbahn. Seine Geschichte ist aber auch die Geschichte einer Versöhnung, die mit seiner ersten Lesereise in Deutschland begann und ihn schließlich dazu brachte, die Vergangenheit zu konfrontieren und hinter sich zu lassen. Das HCA Publikum hatte nach dem Vortrag nicht nur viele Fragen sondern auch zahlreiche Signierwünsche für My Germany.

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Enjoy Jazz am HCA


27. Oktober, 3. November und 10. NovemberEj11 Web

Während des Enjoy Jazz Festivals in der Metropolregion verwandelte sich das Atrium des HCA an drei Donnerstagen zum Kinosaal. In Kooperation mit dem Festival zeigten wir drei Episoden des preisgekrönten Dokumentarfilms Jazz: A History of America’s Music von Ken Burns. Der Soziologe und Musikwissenschaftler Dr. Christian Broecking führte an den drei Filmabenden in die Geschichte des amerikanischen Jazz ein; er unterrichtete außerdem ein Seminar im MAS.

Die erste Folge, „Our Language”, entführte die Zuschauer in die “Goldenen Zwanziger” Jahre, als der Jazz sich in den USA fest etabliert hatte. Sie machten die Bekanntschaft von Bessie Smith, deren Musik den harten Alltag vieler Afroamerikaner leichter machte und mit deren Hilfe afroamerikanische Geschäftsleute begannen, eine schwarze Plattenindustrie aufzubauen; mit Bix Beiderbecke, der, inspiriert von Louis Armstrong, zum ersten weißen Star des Jazz wurde; und mit zwei brillianten Söhnen jüdischer Einwanderer, Benny Goodman und Artie Shaw, denen der Jazz half, dem Ghetto zu entkommen und ihre Träume zu verwirklichen. In New York trat Duke Ellington in Harlems berühmtesten Nachtklub, dem Cotton Club, auf, zu dem nur Weiße Zutritt hatten, und bekam dann die Chance seines Lebens, als das Radio begann, seine Musik im ganzen Land auszustrahlen. In Chicago machte sich derweil Louis Armstrong daran, mit einer Serie von Plattenaufnahmen die Zukunft des Jazz zu entwerfen – Aufnahmen, die in seinem zeitlosen Meisterwerk West End Blues kulminierten.

Die nächste Folge, „Dedicated to Chaos”, begann in Europa, wo Jazzmusiker wie der Sinti Gitarrist Django Reinhardt trotz des Verbots durch die Nazis weiterspielten und die „Swingkids” dem „Dritten Reich“ trotzten. In den USA wurde der Jazz zur Verkörperung der Demokratie; Bandleader wie Glenn Miller und Artie Shaw rückten zum Militär ein und nahmen ihre Musik mit. Für Afroamerikaner aber bestand die Rassentrennung fort, zu Hause und in den Streitkräften. Sie kämpften auf der anderen Seite des Atlantiks für Freiheiten, die ihnen zu Hause verwehrt blieben. So wurde der Savoy Ballroom verriegelt, um schwarze Soldaten daran zu hindern, dort mit weißen Frauen zu tanzen. Aber Jazz Musiker unterstützten die Kriegsanstengungen – so sammelte die Premiere von Duke Ellingtons umfassenden Tonportrait Black, Brown and Beige Spenden für die Kriegsfürsorge. Im Untergrund und nach den Konzerten aber begann der Jazz sich zu verändern. In Minton's Playhouse in Harlem entdeckte eine kleine Band junger Musiker, unter ihnen der virtuose Trompeter Dizzy Gillespie und der brilliante Saxophonist Charlie Parker, eine neue Art von Jazz – schnell, kompliziert, stimulierend und manchmal chaotisch. Wegen des kriegsbedingten Aufnahmeverbotes wurde diese Musik nicht im Radio gespielt, aber kurz nach der Explosion der ersten Atombombe und der Kapitulation Japans gingen Parker und Gillespie ins Studio, um ihre eigene Explosion festzuhalten. Sie hieß Ko Ko, der Sound wurde bald „Bebop” genannt und nichts im Jazz war mehr wie es einmal gewesen war.

Die letzte Folge, „The Adventure”, zeichnete zunächst die gesellschaftlichen Veränderungen in den USA nach dem Zweiten Weltkrieg nach: Familien zogen in die Vororte und das Fernsehen wurde zur nationalen Freizeitbeschäftigung. In der Jazzszene brannten alte Sterne wie Billie Holiday und Lester Young aus, aber zwei Jazzgrößen waren nach wie vor präsent: 1956, als Elvis die Spitzen der Hitlisten erklomm, wurde Duke Ellingtons Konzert beim Newport Jazz Festival zu seiner am meisten verkauften Platte. Im folgenden Jahr machte Louis Armstrong Schlagzeilen, weil er die Untätigkeit des Staates während der Rassenunruhen in Little Rock, Arkansas, anklagte. Derweil testeten neue Virtuosen die Grenzen des Bebop: der kolossale Saxophonist Sonny Rollins; die Jazzdiva Sarah Vaughan; der Schlagzeuger Art Blakey. Die herausragende Persönlichkeit der Zeit aber war Miles Davis — Davis war ein Katalysator, der ständig wechselnde Bands zusammenstellte, um unterschiedliche Facetten seines heftigen, introspektiven Sounds herauszustellen; ein Popularisator, dessen satte Aufnahmen mit Arrangeur Gil Evans sein Publikum vergrößerten; und eine kulturelle Ikone, dessen Charisma bestimmte, was angesagt war. Mit den turbulenten Sechzigern kamen zwei Saxophonisten, die den Jazz gewagt zu neuen Ufern führten. John Coltrane ließ den Popsong „My Favorite Things” in ein Kaleidoskop freilaufender Klänge explodieren und Ornette Coleman sprengte alle Konventionen mit etwas, das er „Free Jazz“ nannte. Wieder einmal schien Jazz auf neue Abenteuer aus, aber diesmal fragten sich viele, auch viele Jazzmusiker – ist das noch Jazz?

Nach drei Wochen Jazz Dokumentarfilmen am HCA waren viele Zuschauer sicherlich sehr neugierig auf eine Antwort. Wir freuen uns auf eine erneute Kooperation mit Enjoy Jazz im nächsten Jahr!

Enjoy Jazz im MAS
MAS-Studierende des HCA  schreiben über ihre 'Entdeckung' des Jazz

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Verleihung des Rolf-Kentner Preises 2011


13. Oktober 2011Kentner2011

Seit Beginn des strukturierten Promotionsprogramms am HCA 2006 haben sich mehr als zwanzig Nachwuchswissenschaftler aus elf Ländern entschieden, ihren Doktortitel an Deutschlands ältester Universität zu erwerben. Am 13. Oktober wurden vier junge Wissenschaftler im gut gefüllten und festlich dekorierten Atrium des HCA neu in das Programm aufgenommen, die Ph.D. Class of 2014: Michael Drescher (Deutschland), Axel Kaiser (Chile), Styles Sass (USA), und Kathleen Schöberl (USA). Prof. Dr. Detlef Junker hieß sie herzlich willkommen und stellte dann die neuen MAS Studierenden – Class of 2013 – vor. Er gratulierte außerdem einem weiteren Doktoranden, Mohamed Motawe aus Ägypten, zum Erwerb des Doktortitels und einer Position an der Kairoer Universität. Prof. Junker schaute dann auf die kurze aber erfolgreiche Geschichte des Programms zurück, das sich von einer kleinen Gruppe hochmotivierter junger Wissenschaftler zu einem gefragten internationalen und interdisziplinären Promotionsstudiengang entwickelt hat.

Die Hauptattraktion des Abends jedoch war die zweite Verleihung des Rolf Kentner Preises. Dieser Preis wurde von einem der aktivsten Unterstützer des HCA, Rolf Kentner, gestiftet, der auch Vorsitzender des Schurman Vereins ist. Der Kentner Preis zeichnet jährlich eine herausragende Dissertation in den Amerikastudien an einer deutschen Universität aus und ging in diesem Jahr an Frank Usbeck von der Universität Leipzig. In seiner Laudatio führte der Dekan der philosophischen Fakultät, Prof. Dr. Manfred Berg, das Publikum in die komplexe und ambivalente Geschichte des deutschen „Indianthusiasm” ein. Für die Propaganda der Nationalsozialisten, so Frank Usbecks These, wurde der „Indianthusiasm“ zur Grundlage eines ertragreichen Diskurses, der unterschiedlichen Zwecken diente und in vielen Kontexten verwendet werden konnte. Frank Usbecks Forschung lässt uns unsere Vorstellungen über das rassistische Gedankenguts der Nazis und über den Rassismus im Allgemeinen überdenken. Sie zeigt, dass „Rasse” keine in Stein gehauene ideologische Doktrin darstellt, sondern vielmehr ein sehr flexibles und anpassungsfähiges Konzept ist. Die Nazi Propaganda beutete rassistische und kulturelle Stereotypen über amerikanische Indianer erfolgreich aus, weil sie eine lange Tradition in der deutschen Populärkultur hatten und deshalb nicht sofort als Propaganda erkannt wurden. Aus demselben Grund lebten diese Stereotypen nach dem Ende des „Dritten Reiches” fort. Prof. Berg betonte, dass die Ideologie und Propaganda der Nationalsozialisten keineswegs eine monolithische Weltanschauung darstellte, die sauber von anderen Ideologien wie Sozialismus, Liberalismus oder Konservatismus getrennt werden kann. Stattdessen bediente sich der Nationalsozialismus, wie Dr. Usbecks Dissertation auf brilliante Art und Weise ausführt, einer ganzen Palette von Ideen, Diskursen und Tropen und adaptierte sie für den Eigengebrauch. Dazu gehörte auch die Vorstellung, dass amerikanische Indianer „verwandte Stämme“ waren.

Frank Usbeck führte diese Thesen dann in seinem Festvortrag “Tribe, Nation, Volksgemeinschaft: German Indianthusiasm and the Construction of National (Socialist) Identity” näher aus. Er präsentierte dem faszinierten Publikum einige seiner Hauptthesen und argumentierte unter anderem, dass die nationalsozialistische Ideologie sich auf indianische Bildersprache berief, um eine spezifische nationale Identität zu konstruieren und zu verfestigen. Danach beschränkten sich die Nationalsozialisten nicht auf historische Parallelen sondern konstruierten biologische und kulturelle Verbindungen zwischen Deutschen und Indianern. Dieser instruktive wie provokative und unterhaltsame Vortrag wurde mit viel Applaus und einer regen Diskussion belohnt. Der Preisträger, der Stifter und das Publikum konnten dann ihre Unterhaltung bei einem Empfang in der Bel Etage fortsetzen.

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Aldon Morris: "W.E.B. Du Bois and the Founding of American Sociology: The German Connection"


Morris11. Oktober 2011

Das zehnte Semester des Baden-Württemberg Seminars eröffnete mit einem fulminanten Vortrag, der die engen Verbindungen eines Begründers der amerikanischen Soziologie zu einem der berühmtesten Heidelberger aufzeigte. Aldon Morris, Leon Forrest Professor of Sociology an der Northwestern University, sprach über die Rolle, die W.E.B. Du Bois bei der Ausbildung der  amerikanischen Soziologie spielte, sowie über die wichtigen Einflüsse, die Du Bois Deutschlandaufenthalt auf seine Weltsicht und seine sozialwissenschaftlichen Ansätze hatte. Durch diese deutschen Einflüsse wurde Du Bois zu einer zentralen, ja geradezu historischen, Figur für die Entwicklung der wissenschaftlichen Soziologie in den USA. In seinem Vortrag machte Prof. Morris drei Hauptargumente geltend: Erstens beeinflussten Du Bois’ Aufenthalte in Berlin und Heidelberg in den 1890er Jahren seine Haltung zur Rassenfrage in den USA zutiefst; zweitens versahen ihn seine Studienaufenthalte mit dem Rüstzeug, das er für den Auf- und Ausbau einer eigenständigen amerikanischen Schule der Soziologie benötigte. Drittens formte Max Weber, zu der Zeit bereits ein renommierter Wissenschaftler, Du Bois‘ Intellekt zutiefst. Dieser wiederum beeinflusste Webers Forschung sowie seine politische Einstellung zu Fragen der gesellschaftlichen Gleichberechtigung.

Prof. Morris führte darüber hinaus aus, wie sich Weber über den Atlantik hinweg Du Bois‘ Forschungsergebnisse zu eigen machte und ihn als herausragenden Wissenschaftler anerkannte. Du Bois‘ Forschung auf und bereicherte Webers Arbeit signifikant und Du Bois‘ politische Ansichten halfen Weber, seine provinziellen Vorbehalte gegenüber anderen Ethnien abzulegen und sich pluralistische und echte demokratische Vorstellungen anzueignen. Prof. Morris‘ Vortrag zeigte die enge wechselseitige Beziehung zwischen Du Bois Pionierrolle in der amerikanischen Soziologie und der deutschen Welt der Sozialwissenschaft um die Jahrhundertwende auf, die sich gegenseitig verstärkten. Prof. Morris Thesen führten dann zu einer angeregten Diskussion mit einigen Weber-Kennern im Publikum.

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Susan Strasser: "Woolworth to Wal-Mart: Mass Merchandise and the Changing American Culture of Consumption"


7. Juli 2011Bws Strasser-8

Den Schlusspunkt des neunten Semesters des Baden-Württemberg Seminars setzte am 7. Juli Susan Strasser, Richards Professor of American History an der University of Delaware. Prof. Strasser, eine ausgewiesene Expertin der amerikanischen Konsumgeschichte, zeichnete die Entwicklung von Marketingstrategien und Einkaufsgewohnheiten von den Tante Emma Läden des 19. Jahrhunderts bis zu den heutigen Discountketten nach. Ihr Vortrag begann mit einem Blick auf die Ursprünge des Massenmarketing. Mit der Industrialisierung der USA entstanden unzählige neue Produkte; um die Jahrhundertwende aßen, tranken und trugen Amerikaner aller Schichten Sachen, die in Fabriken entstanden waren. Diese verarbeiteten fast unvorstellbare Mengen Rohstoffe am Fließband. Hand in Hand mit neuen Produktionsmethoden entwickelten sich neue Marketingstrategien. Sie sollten eine Bevölkerung, die bis vor kurzem noch fast alle Gegenstände des täglichen Bedarfs selbst hergestellt hatte, davon überzeugen, dass standardisierte und aufwändig beworbene Markenprodukte ihr Geld wert waren. Bis zu dieser Zeit waren die meisten Produkte als anonyme Ware von Großhändlern vertrieben worden; in den Jahrzehnten nach dem Bürgerkrieg begannen große Hersteller, eigene Vertriebswege zu etablieren und ihre Ware zu bewerben. Immer mehr Amerikaner zogen jetzt verpackte Uneeda Biscuits den Crackern aus dem offenen Fass vor und Quaker Oats den losen Haferflocken; sie verlangten jetzt Coca-Cola statt einer namenlosen Brause. Die heutige Konsumkultur nahm hier ihren Anfang.

Prof. Strasser analysierte dann den Wandel der Vertriebswege. Neue Marketingmethoden verlangten nach neuen Ladentypen. Die Massenvermarktung brachte drei neue Ladentypen hervor: das Kaufhaus, den Versandhandel und die Ladenkette. Alle drei hielten sich an moderne Verkaufsprinzipien: Preise waren und blieben festgelegt, Verkäufer schlecht bezahlt, und die Waren wurde in Warengruppen eingeteilt und so ausgezeichnet, dass sie schnell abgesetzt wurden. Mit A.T. Stewarts “Marmor Palast” eröffnete 1846 das erste Kaufhaus in New York; Macy’s and Marshall Field’s in Chicago folgten kurz danach. Viele Kaufhäuser betrieben einen Versandhandel, um Kunden in ländlichen Gegenden zu bedienen. Der Katalog von Sears, Roebuck umfasste 1906 fast 1000 Seiten; die Firma bearbeitete jeden Tag neun Säcke mit Bestellungen und betrieb eine eigene Druckerei sowie das zweitgrößte Kraftwerk in Chicago. Zur selben Zeit wurden im ganzen Land traditionelle Kaufmannsläden zunehmend durch Ladenketten ersetzt, deren bekannteste die Atlantic and Pacific Tea Company war. A&P begann als Einzelhändler in den 1890er Jahren, hatte fast 200 Filialen in 28 Staaten um Jahrhundertwende und 16, 000 Ende der zwanziger Jahre. Lange vorher hatte 1916 der erste Piggly Wiggly in Memphis, Tennessee, eröffnet und das Konzept der Selbstbedienung eingeführt. Diese Kette umfasste schließlich 2.660 Läden und gab ihr System an Franchisenehmer weiter. In den 1930er Jahren wies die amerikanische Konsumlandschaft bereits viele Merkmale auf, die bis heute bestehen: Ihre Kunden waren zunehmend motorisiert, verlangten nach Markenprodukten und niedrigen Preisen, die sie in riesigen Supermärkten auf der grünen Wiese fanden. Wie die heutigen Wal-Mart Kunden konnten sie jetzt nicht nur das einkaufen, was sie tragen konnten, begannen, auf Vorrat zu kaufen und garantierten so großen und schnellen Absatz. Es überraschte nicht, dass Prof. Strassers faszinierender Vortrag eine rege Diskussion auslöste – schließlich kauft der Anwesenden regelmäßig etwas ein.

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Kristin Hoganson: "Buying into Empire: U.S. Consumption and the World of Goods, 1865-1920"


30. Juni 2011Bws Hoganson-28

Das Baden-Württemberg Seminar des HCA wurde am letzten Junitag mit einem Vortrag von Kristin Hoganson fortgesetzt, einer ausgewiesenen Expertin für transnationale Geschichte und die Kulturgeschichte des amerikanischen Imperialismus. In ihrem Vortrag argumentierte Prof. Hoganson, dass die Konsumgewohnheiten der amerikanischen Mittelschicht um die Jahrhundertwende das Scharnier zwischen dem politischen und militärischen Imperialismus und einem ebenso wichtigen wirtschaftlichen Imperialismus bildeten. Die wirtschaftliche Expansion der USA resultierte in der zunehmenden Globalisierung des Konsums genauso wie der wachsende Appetit des amerikanischen Verbrauchers für exotische Produkte die wirtschaftliche Expansion vorantrieb; beispielsweise vervierfachten sich die amerikanischen Lebensmittelimporte zwischen dem Ende des Bürgerkrieges und der Jahrhundertwende. Diese Entwicklung wurde aber nicht nur von Verbrauchern, sondern auch von Produzenten, Importeuren, Einzelhändlern, Werbeleuten, Verfassern von Ratgebern und Innenarchitekten geprägt. „Angemessener Konsum“ wurde zum Markenzeichen eines relativ kosmopolitischen Lebensstils weißer und wohlhabender Amerikaner.

In ihrer Analyse rekonstruierte Prof. Hoganson zum einen “Geographien des Konsums”: die Teile des öffentlichen Diskurses, die die Herkunft von Importgütern erklärten oder ihren Gebrauch kontextualisierten. So bewarben Modehäuser und Kataloge nicht nur Wäsche, sondern ihre asiatische Herkunft; Kochbücher erteilten Lektionen über den U.S. Imperialismus in der Karibik oder den Philippinen; Innenarchitekten priesen “chinesisches Rattan” oder „Perserteppiche“. Diese Verbrauchergeographien zeichneten sich oft durch eine militärische Sprache aus und bewerteten die amerikanische Expansion als segensreich für den inländischen Verbraucher wie für den ausländischen Produzenten.

Man kann dieses Verhältnis zwischen Konsum und Empire auch durch einen Blick auf die kulturelle Praxis verstehen: Importierte Waren wurden Gegenstand des alltäglichen Lebens und oft ein Zeichen sozialer Distinktion; sie galten als zivilisatorische Errungenschaft und machten ihre Benutzer zum Teil einer globalen Elite. Prof. Hoganson wies in diesem Zusammenhang auf die “cosey corners” – „orientalische Nischen“ – hin, vor der Jahrhundertwende die große Mode in bürgerlichen Haushalten. Auch exotische Gesellschaften wie Tee à la Russ oder “chinesische Vergnügen” erfreuten sich großer Popularität. Wohltätigkeitsbasare zeichneten sich oft durch entsprechende Buden aus: Auch im Mittleren Westen konnten Hausfrauen Parfüm aus Paris, Kaffee aus Konstantinopel oder Chinoiserie aus Shanghai erwerben. So war der amerikanische Konsum fremder Güter letztlich weder Grund für noch Resultat des amerikanischen Imperialismus, sondern vielmehr ein wesentlicher Teil davon.

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"Hot Off the Press, Hot Off the Reel, Hot Off the Grill" – UniMeile am HCA


25. Juni 2011

Während der UniMeile zum Jubiläumsjahr der Ruperto Carola ging es am HCA „heiß“ her. Unter dem Motto „Hot Off the Press, Hot Off the Reel, Hot Off the Grill“ hatten Dietmar Schloss und Heiko Jakubzik wieder einmal ein attraktives Programm zusammengestellt, das stündlich aktuelle Romane, Filme, Fernsehserien und andere kulturelle Themen aus den USA vorstellte. Die Veranstaltung ging aus dem Kolloquium "Hot Off the Press" am Anglistischen Seminar hervor, dessen Mitglieder bereits seit sieben Jahren neuen Trends der amerikanischen Literatur, Popmusik, Filmszene und des Internets auf der Spur sind.

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Das zahlreich erschienene Publikum hörte kurze Vorträge über die Berichterstattung über den Tod Osama Bin Ladens, über neue Romane von Paul Auster, Jennifer Egan, und David Foster Wallce, und über die TV Serie „Mad Men“ und die Filme Black Swan und The Social Network, denen jeweils eine offene Gesprächsrunde folgte. Dieses Format erwies sich wieder einmal als sehr erfolgreich, zumal die Besucher diesmal im Innenhof des HCA amerikanische Barbecue Spezialitäten genießen konnten. Ein großes Dankeschön geht an den Partyservice „Tischlein Deck Dich“, der leckere Spare Ribs, Maiskolben und andere Köstlichkeiten anbot.

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Amerikatag der Ruprecht-Karls-Universität


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Als Teil der Feierlichkeiten zum Universitätsjubiläum beging die Ruperto Carola am 24. Juni den Amerikatag. Er würdigte die langen und engen Beziehungen der Universität zu den Vereinigten Staaten und begann mit einer Podiumsdiskussion zum Thema: „The Obama Presidency: Will There Be a Second Term?“ Teilnehmer waren der Politikwissenschaftler und Ghaemian Fellow Patrick Roberts, der Autor und HCA Absolvent Styles Sass, die Amerikanistin Dorothea Fischer-Hornung von der Universität Heidelberg und die Geschichtsprofessorin Manisha Sinha, University of Massachussetts, Amherst. Die Moderation übernahm Martin Thunert auf Deutsch und Englisch. Nach einem musikalischen Intermezzo mit Eva Mayerhofer und Christian Eckert wurde in festlichem Rahmen das James W.C. Pennington Distinguished Fellowship vorgestellt, das vom Heidelberg Center for American Studies und der Theologischen Fakultät eingerichtet wurde. Es erinnert an den amerikanischen Pastor und ehemaligen Sklaven James W.C. Pennington, dem die Ruprecht-Karls-Universität 1849 als erstem Afroamerikaner die Ehrendoktorwürde verlieh.

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Nach den Grußworten von HCA Gründungsdirektor Prof. Dr. Dr. h.c. Detlef Junker und Ehrensenator Dr. h.c. Manfred Lautenschläger hatte U.S. Konsulin Jeanine Collins eine Überraschung mitgebracht – eine Grußadresse des amerikanischen Präsidenten! Barack Obama dankte dem HCA für diese Initiative, die die starke Allianz und andauernde Freundschaft zwischen den USA und Deutschland widerspiegele. Er zeigte sich überzeugt davon, dass die Hochachtung vor den Leistungen Penningtons zukünftige Generationen von Amerikanern und Deutschen inspirieren werde. Der langjährige Förderer des HCA, Dr. h.c. Manfred Lautenschläger, legte durch eine großzügige Spende den Grundstock für die ersten Forschungsaufenthalte. Der Amerikatag endete mit einer spannenden Festrede von Prof. Sinha: „James W.C. Pennington and Transatlantic Abolitionism“ und klang stilvoll bei einem Glas Wein und leckeren Häppchen im Garten und im Atrium des HCA aus.

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Manfred Berg: "Popular Justice – A History of Lynching in America" (HCA Book Launch)


26. Mai 2011Book-launch-manfred-berg Web

Zum Auftakt der dritten Buchvorstellung am HCA in diesem Jahr begrüßte Gründungsdirektor Professor Detlef Junker einen langjährigen Freund und Kollegen, Professor Manfred Berg, den Inhaber des Curt Engelhorn Lehrstuhls an der Universität Heidelberg. Er stellte an diesem Abend seinneues Buch Popular Justice – A History of Lynching in America seinen Studenten, Kollegen und der interessierten Öffentlichkeit vor.

Die Lesung begann zeichnete den Wandel der Lynchjustiz in der amerikanischen Geschichte nach, ausgehend vom Ursprung des Begriffs. Charles Lynch war der Vorsitzende eines außergesetzlichen Gerichts in Virginia während der amerikanischen Revolution, das Kriminelle, Verräter und Loyalisten bestrafte. Obwohl Lynch und seine Mitstreiter sich selbst ermächtigten, auch die von ihnen festgesetzten Strafen auszuführen, betonte Professor Berg, dass man ihre Handlungen nicht mit der Mobgewalt späterer Jahre gleichsetzen könne. Sie brachen das Gesetz in einer Zeit, zu der eine klare militärische Bedrohung und Kriegschaos herrschten. Dennoch wird außergesetzliche Gewalt seit dieser Zeit unweigerlich mit dem Namen „Lynch“ verknüpft. Im Kapitel „unbeschreibliche Barberei“ schilderte Professor Berg Lynchmorde als ein Instrument rassistischer Unterdrückung in den Südstaaten der Jim Crow Ära. Schwarze, die einer Vergewaltigung oder eines Mordes an Weißen verdächtigt wurden, wurden oft nicht durch die Justizbehörden einer „gerechten Strafe“ zugeführt sondern durch einen Mob, der mit Stricken, Fackeln und Kameras bewaffnet war. Die meisten Mitglieder dieser Gruppe waren „ganz normale Leute“, die unsägliche Straftaten begingen, weil sie Anordnungen folgten, an eine „höhere Sache“ glaubten oder eine vermeintlich unsichere Gemeinde sicher machen wollten. Lynchjustiz war ein sehr sichtbares und damit sehr effektives Instrument um die weiße Überlegenheit auch nach Abschaffung der Sklaverei zu gewährleisten. Sie beschränkte sich nicht auf Afroamerikaner; auch Mexikaner, chinesische Immigranten oder weiße Amerikaner fielen ihr zum Opfer. Professor Berg beschrieb in diesem Zusammenhang den Fall des jüdischen Fabrikaufsehers Leo Frank, der 1913 der Vergewaltigung und des Mordes an einer 13jährigen Arbeiterin in seiner Fabrik beschuldigt wurde. Obwohl er unschuldig war, wurde er zunächst zum Tode verurteilt, nicht zuletzt aufgrund von antisemitischen Ressentiments, einer aggressiven Boulevardpresse und ehrgeizigen Südstaatenpolitikern. Nach seinem Freispruch wurde er durch einen wütenden Mob entführt und gelyncht. Im letzten Teil der Lesung analysierte Professor Berg den Übergang vom Lynching zu Hatecrimes, die zwar ebenfalls durch bestimmte Ideologien befeuert werden aber anders als die Lynchjustiz keinen Rückhalt in einer Gemeinschaft haben.

Professor Bergs Lesung stieß auf großes Interesse und mündete in eine rege Diskussion. Viele Zuhörer nutzten die Gelegenheit, bei einem Glas Wein mit dem Autor ins Gespräch zu kommen und Popular Justice zum Einführungspreis zu erwerben.

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Robert Isaak: "The Great Bluff – America’s Temporary Escape from
the Financial Crisis"


23. Mai 2011Isaak

Während Rettungsaktionen für überschuldete EU-Staaten und die europäische Währung die Nachrichten auf dieser Seite des Atlantiks beherrschen und die Angst vor den Konsequenzen der Finanzkrise umgeht, scheinen viele Amerikaner die wirtschaftliche Situation im eigenen Land weitaus optimistischer einzuschätzen. Tatsächlich aber hat diese scheinbare finanzielle Sicherheit durchaus Schwachstellen, wie Robert Isaak, Professor für Internationales Management an der Pace University und Autor von Geldherrschaft – Ist unser Wohlstand noch zu retten? in seinem provokativen Vortrag ausführte.

Für Professor Isaak handelt es sich bei der amerikanischen Kultur um eine Geldkultur, deren Realität durch Banker bestimmt wird. Um die augenblickliche Reaktion der Amerikaner auf die Finanzkrise richtig einzuschätzen, muss man die besondere Beziehung der Amerikaner zu Geld verstehen. In den USA wird Geld oft mit Freiheit gleich gesetzt. Die Rettungsaktionen für die Banken stellen unter anderem eine Verlagerung der Verantwortung vom privaten auf den öffentlichen Sektor dar. Dies ist nicht nur eine schlechte Nachricht für den Steuerzahler, sondern verletzt auch eine Maxime, der viele Amerikaner anhängen: Dass die Regierung die beste ist, die am wenigsten regiert.

Aber waren die dramatischen Rettungsaktionen im Jahr 2008, die der amerikanischen Kultur und Tradition so widersprachen, überhaupt erfolgreich? Laut Professor Isaak stellten sie nur einen vorübergehenden Ausweg dar – einen „Großen Bluff“. Erstens traf die Finanzkrise vor allem kleine Banken, die Geschäftspartner kleiner und mittlerer Firmen und damit der amerikanischen Mittelschicht; die großen Banken dagegen, die ihre Profite in den Jahren vor der Finanzkrise vor allem mit fragwürdigen Hypotheken und der Schaffung von Vermögenswerten erzielten, wurden mit Unsummen von Steuergeldern gerettet. Zweitens sichern die USA im Vergleich zu Russland oder China nur einen kleinen Teil ihrer Geldmenge mit Devisen oder Gold ab. Drittens geben die USA vergleichsweise viel Geld für Bildung oder Gesundheitsfürsorge aus, ohne davon adäquat zu profitieren – die Lebenserwartung beispielsweise ist vergleichsweise niedrig. Zudem hat die Finanzkrise konservativen Politikern Auftrieb gegeben.

Professor Isaak sieht den einzigen Weg aus dieser Krise in der Lösung des Konflikts zwischen den entwickelten Ländern mit einem starken Bankensektor und den unterentwickelten Ländern mit einem schwachen Bankensektor. In der Ernennung von Dominique Strauss-Kahn zum Direktor des Internationalen Währungsfonds sieht er eine Chance für eine solche Lösung, da Strauss-Kahn sich für eine größere Rolle der Schwellenländer einsetzt.

Professor Isaaks eher pessimistische Einschätzung der aktuellen und zukünftigen weltweiten Finanzlage löste eine angeregte Diskussion im zahlreich erschienenen Publikum aus, die sich vornehmlich um die Rolle des IWF und der Weltbank sowie die Zukunft des Euro und die Rechtfertigung der Bankenrettungen drehte.

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Adam Tooze: "Never Again: Memories of the Great Depression and America’s Reaction to Today’s Financial Crisis"


19. Mai 2011Tooze Web

Die Große Depression und der New Deal gelten bis heute geradezu als Ausnahmesituation in der amerikanischen Wirtschaftsgeschichte, die geradezu zwanghaft und immer wieder diskutiert wird. Dabei war die Politik des New Deals von Anfang an umstritten, wie Professor Adam Tooze in seinem aufschlussreichen Vortrag darlegte. Für viele Amerikaner war und ist die Politik der Roosevelt Administration dem American Way of Life feindlich gesonnen und dieser Diskurs hat sich in den letzten Jahren zunehmend radikalisiert. Insbesondere die Zunft der Ökonomen an den Hochschulen ist dramatisch gespalten und jede Seite kann Nobelpreisträger und einflussreiche “public intellectuals” vorweisen. Die Bewertung wird zusätzlich dadurch kompliziert, dass die New Deal Historiker über Techniken streiten und allen Facetten des politischen Spektrums angehören; außerdem hat sich die Geschichtsschreibung selbst gewandelt. Um Ordnung in dieses verwirrte und verwirrende Gebilde zu bringen, stellte Professor Tooze vier Positionen vor, die unterschiedliche politische und ökonomische Theorien mit unterschiedlichen Vorstellungen über Sinn und Zweck von Geschichte verbinden.

Für große Teile der liberalen amerikanischen Öffentlichkeit bleiben der New Deal, die amerikanischen Rolle im Zweiten Weltkrieg und der Marshall Plan der nostalgische Ausweis einer kollektiven Identität, eine unverzichtbare Reformbewegung in der amerikanischen Geschichte, gepaart mit einem Anflug von Bedauern über die Gegenwart und Nostalgie für die Vergangenheit. Die amerikanische Linke dagegen – zugegebenermaßen eher eine Randfigur in der öffentlichen Debatte – hat die Politik des New Deals von Anfang an angegriffen, da sie zwar die Aufgaben des Staates ausweitete, kapitalistische Strukturen aber intakt ließ und damit die populistischen Graswurzeln der amerikanischen Demokratie zerstörte. Weitaus dominanter ist die lauthals geäußerte und populäre Interpretation der Rechten, die behauptet, dass die staatlichen Interventionen des New Deals vor allem Unsicherheit unter Geschäftsleuten hervorrief und die Krise damit verlängerte. Die sogenannte Freshwater School besteht sogar darauf, dass alle ökonomischen Aktivitäten, auch Arbeitslosigkeit, auf rationalen Entscheidungen von ökonomisch frei handelnden Individuen basieren.

Als einflussreichste Position aber sieht Professor Tooze den „skeptischen Optimismus“, den wichtige Mainstream-Intellektuelle wie Ben Bernanke, Paul Krugman, oder Christina Romer in der wahren Tradition des amerikanischen Pragmatismus vertreten. Skeptische Optimisten glauben daran, dass rationales Denken und Handeln viel, wenn nicht alles, bewegen kann. Eine historische und ökonomische Betrachtung der Großen Depression liefert zwar keine Antworten auf die Fragen, die sich den USA heute stellen, aber der skeptische Optimismus könnte dazu beitragen, ein neues Kapitel in der amerikanischen Geschichtsschreibung aufzuschlagen, das die Saga des amerikanischen Exzeptionalismus beendet. Die Gelegenheit zur anschließenden Diskussion wurde von den zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörern gerne wahrgenommen.

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Tobias Endler: "After 9/11: Leading Political Thinkers about the World, the U.S. and Themselves" (HCA Book Launch)


21. April 2011Tobias-endler-book-launch Web

Bei der zweiten Buchvorstellung im Atrium des HCA präsentierte Tobias Endler, Ph.D. Koordinator am HCA, sein neues Buch After 9/11: Leading Political Thinkers about the World, the U.S. and Themselves. Er gab dem Publikum zudem einen kleinen Einblick in das Quellenmaterial seiner in Kürze erscheinenden Dissertation.

Während eines Lehr- und Forschungsstipendium an der Yale University interviewte Tobias Endler vierzehn Männer und drei Frauen, die zu den bekanntesten „public intellectuals“ der Vereinigten Staaten gehören. Unter ihnen waren zum Beispiel John Bolton, Francis Fukuyama, James M. Lindsay und Nancy Soderberg, um nur einige zu nennen. Die Befragten zeichnen sich nicht nur durch eine hohe Medienpräsenz aus, sondern haben auch alle Bücher über die amerikanische Außenpolitik nach den Terroranschlägen des 11. Septembers veröffentlicht.

Tobias-endler-book-launch-2 WebTobias Endler bat seine Interviewpartner einerseits die Rolle der Vereinigten Staaten in der Weltpolitik zu definieren: Welche Außenpolitik verfolgt die USA seit den Anschlägen des 11. Septembers? Welche sollte sie verfolgen? Was führte zu der Katastrophe am 11. September? Gibt es Wege eine weitere Katastrophe dieser Art zu verhindern und den beschädigten Ruf Amerikas wieder herzustellen? Was kann von Obama erwartet werden? Und sind die USA immer noch eine Supermacht? Andererseits wurde auch die Rolle der „public intellectuals“ selbst in den Interviews thematisiert: Was ist ein „public intellectual“? Ist dies immer noch ein relevantes Konzept? Wuchs ihre Autorität nach den Anschlägen des 11. Septembers? Welche Rolle spielen die „public intellectuals“ in der öffentlichen Diskussion?

Nachdem Tobias Endler sein konzeptionelles und methodisches Vorgehen erklärt hatte, fuhr er mit der Präsentation von Audio-Mitschnitten der Interviews fort. Dieser Teil der Buchvorstellung beeindruckte das Publikum besonders. Durch die Mitschnitte bekamen die Zuhörer nicht nur einen tieferen Einblick in Vorgehensweise des Autors, sondern fühlten sich auch den Intellektuellen selbst näher. So wurde deutlich, dass die meisten der Interviewten an einer globalen Führungsrolle der USA, auch wenn sie sehr unterschiedliche politische und berufliche Milieus repräsentieren. Die Überzeugungen, wie dies erreicht bzw. erhalten werden kann, sind jedoch sehr unterschiedlich..

Die Beiträge von Dr. Martin Thunert, Dozent für Politikwissenschaft am HCA, und Prof. Dr. Dietmar Schloss, einem der Betreuer der Dissertation, rundeten den Abend ab. Nach den Vorträgen beantworteten alle drei Wissenschaftler Fragen aus dem Publikum und führten danach bei einem Glas Wein die angeregte Diskussion mit den Zuhörern fort.

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Todd Gitlin: "The Press and the Romance of the Financial Bubble"


15. April 2011Gitlin Web

Am 15. April konnte das HCA Todd Gitlin, Professor für Journalismus und Soziologie an der Columbia University, in Heidelberg begrüßen. Ein „not very private intellectual“, wie er sich selbst beschreibt, wurde Gitlin insbesondere auch als der dritte Präsident der Students for a Democratic Society (1963-1964) bekannt. Während seiner Amtszeit organisierte er unter anderem die ersten nationalen Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg und gegen das Apartheitsregime in Südafrika. Darüber hinaus ist Professor Gitlin der Autor zahlreicher Bücher, und viele der Zuhörer hatten ihr persönliches Exemplar mitgebracht.

Professor Gitlins Vortrag “The Press and the Romance of the Financial Bubble” beleuchtete die unrühmliche Rolle der amerikanischen Presse während der Hypothekenspekulationen, die 2008 und 2009 zur weltweiten Finanzkrise führten. Anstatt die Risiken dieser hochspekulativen Geldanlagen aufzuzeigen, priesen die Medien den Finanzsektor und feierten dessen Topmanager als „Herren des Universums“. Es gab so gut wie keine investigative Berichterstattung über diese mächtigen Männer und Institutionen. Professor Gitlin betonte, dass die Investment-Banker so zu unbestrittenen moralischen Autoritäten für die amerikanische Öffentlichkeit werden konnten. Sie wurden dafür bewundert, dass sie Profite für ihre Firmen und Wohlstand für die amerikanische Gesellschaft aber auch für sich persönlich schufen. Die Presse allerdings war lediglich ein „Wachhund der im Angesicht der Gefahr nicht bellte“. Professor Gitlin zufolge scheiterte sie, weil es für eine ständig schrumpfende Zahl von Journalisten unmöglich war die Komplexität des Finanzsektors zu durchschauen. Angesichts des eklatanten Versagens des konventionellen Journalismus unterstützt Gitlin die Idee, dass in Zukunft non-profit Journalisten und Organe wie Wikileaks die Aufgabe übernehmen sollen, solche komplexen Themen zu recherchieren.

Professor Gitlins Vortrag stieß auf großes Interesse und der Abend wurde mit einer langen und angeregten Diskussion fortgesetzt. Am Ende nutzten viele Zuhörer die Chance, den Redner persönlich zu begrüßen und ihre Bücher signieren zu lassen.

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Mischa Honeck: "We are the Revolutionists: German-Speaking Immigrants and American Abolitionists after 1848" (HCA Book Launch)


12. April 2011Book Launch Mischa Honeck-3

In diesem Frühling erweiterte das HCA seinen Veranstaltungskalender mit einem neuen Format. Studenten, Kollegen und die interessierte Öffentlichkeit waren zur ersten Buchvorstellung ins Atrium eingeladen. Dr. Mischa Honeck, Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Ph.D- Koordinator am HCA, präsentierte sein erstes Buch: We Are the Revolutionists: German-Speaking Immigrants and American Abolitionists after 1848.

Der Abend begann mit Musik und Bildern, die das Publikum in die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts zurückversetzten. Nach einer herzlichen Einführung durch Dr. Wilfried Mausbach nutzte Dr. Honeck die Gelegenheit seinen Kollegen am HCA und insbesondere seiner Frau für die Unterstützung während der Entstehungszeit von We Are the Revolutionists zu danken.

In dem anschließenden Vortrag ging Dr. Honeck auf die Geschichte der sogenannten Forty-Eighters ein, die in den gescheiterten Revolutionen von 1848-49 für ihre Ideale in Europa gekämpft hatten. Tausende von ihnen flohen als politisch Verfolgte nach Nordamerika. Ihr Streben nach Freiheit allerdings endete mit ihrer Ankunft in einem fremden Land keineswegs. Vielmehr kollaborierten die deutschsprachigen Einwanderer nach 1848 mit den amerikanischen Abolitionisten und überwanden dabei ethnische und kulturelle Grenzen für ein gemeinsames Ziel: die Abschaffung der Sklaverei. In seinem Vortrag analysierte Dr. Honeck jedoch auch die Grenzen dieser transatlantischen Allianz. Die amerikanischen und deutschen Revolutionäre waren sich nicht nur uneinig darüber, wie sie ihre gemeinsamen Ziele erreichen sollten, sondern zudem Gefangene ihrer jeweiligen sozialen Umfelder aus Ethnozentrismus und Rassismus. Auf den Tag genau 150 Jahre nach der Schlacht von Fort Sumter, mit der der amerikanischen Bürgerkrieg begann, eröffnete Dr. Honeck so eine neue transnationale Perspektive auf den Kampf für die Abschaffung der Sklaverei.

Mit einer Würdigung von We are the Revolutionists durch den Bürgerkriegshistoriker Martin Öfele, Fragen aus dem Publikum und einer angeregten Diskussion wurde der Abend fortgeführt. Bei einem Glas Wein hatten die Zuhörer anschließend die Möglichkeit die Unterhaltung mit dem Autor fortzusetzen. Das HCA freut sich auf die nächste Veranstaltung in dieser Reihe.

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Stunde der Universität: "Brücken in die Neue Welt"


31. März 2011

Br _cken In Die Neue Welt-37In ihrem Jubiläumsjahr präsentiert sich die Ruprecht-Karls-Universität jeweils donnerstags der Heidelberger Öffentlichkeit. Während der „Stunde der Universität“ öffnet jede Woche um 17:00 Uhr ein anderes Institut die Türen, um seine Lehr- und Forschungstätigkeit vorzustellen. Am 31. März wurden am HCA im Rahmen dieser Veranstaltung „Brücken in die Neue Welt“ geschlagen. Eine Videokonferenz via Skype bot Mitarbeitern und Besuchern die Gelegenheit, mit den Kooperationspartnern des HCA auf der anderen Seite des Atlantiks ins Gespräch zu kommen.

Den Anfang machte Felix Lutz am Center for European Studies der Harvard University, der unter anderem über die finanzielle Situation der amerikanischen Eliteuniversitäten seit Ausbruch der Finanzkrise berichtete. Die zweite Schaltung führte ans Vassar College, wo Maria Höhn über die Genese der Ausstellung „Kampf um die Bürgerrechte“ berichtete, die zur selben Zeit am HCA zu sehen war. Nach einem Gespräch mit HCA Doktorand Johannes Steffens in New York City ging es weiter nach Washington, DC, ans Deutsche Historische Institut, das in vieler Hinsicht eng mit dem HCA verbunden ist. Danach schalteten wir zu David Morris, dem Deutschland Spezialisten der Kongressbibliothek in Washington. Im Mittleren Westen der USA kam eine Schaltung mit Jeannette Jones und Alexander Vazansky, zwei ehemaligen Mitarbeitern des HCA, zustande. Eine Schaltung nach Denver zu Kathleen Lance, der Präsidentin von Heidelberg Alumni USA, gab Irmtraud Jost auf dieser Seite des Atlantiks die Gelegenheit, die Alumni Arbeit der Universität vorzustellen. Die virtuelle Reise über den amerikanischen Kontinent endete in einem Gespräch mit Bob Cherny und Charles Postel, der eine ein ehemaliger Fulbright Professor am HCA, der andere ab Herbst der Ghaemian Scholar in Residence. Bei Wein und Brezeln erhielten die Besucher in knapp zwei Stunden zweifellos interessante Einblicke in die Arbeit des HCA und seiner Kooperationspartner.

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Hartmut Berghoff: "Lässt sich der Kapitalismus zähmen? Die Anfänge des 'Credit Rating' in den USA und Deutschland vor 1914"


17. März 2011

Berghoff WebHartmut Berghoff, Direktor des Deutschen Historischen Instituts in Washington D.C., konnte für seinen Vortrag über die Geschichte der Credit Rating Agencies zahlreiche Zuhörer interessieren, die sich sicherlich auch eine Erklärung für das eklatante Versagen dieser Agenturen in der seit drei Jahren währenden Finanzkrise versprachen. Tatsächlich, so führte Professor Berghoff aus, haben diese Agenturen „die Risiken hochgradig unterschätzt, … waren von der Komplexität der neuen Finanzvehikel schlichtweg überfordert“ und befanden sich darüber hinaus in einem „Interessenkonflikt“. Professor Berghoff bot aber auch einen Einblick in ein wenig erforschtes Kapitel der Wirtschaftsgeschichte: die Entstehung der Credit Rating Agencies in den Vereinigten Staaten des neunzehnten Jahrhunderts. Diese Agenturen waren ursprünglich eine institutionelle Antwort auf die Herausforderungen einer sich industrialisierenden Nation und einer sich industrialisierenden Welt. In einem expandierenden Markt, der den Großteil seiner Waren auf Kredit lieferte, benötigten Geschäftsleute ein System, das wirtschaftliche Unsicherheiten in ein beherrschbares Risiko verwandelte. Credit Rating Agencies griffen auf das soziale Kapital zurück, das sich in Familien, Kirchen und ethnischen Gemeinschaften gebildet hatte, und ersetzten diese hergebrachten Formen des geschäftlichen Vertrauens sukzessive durch enorme Datenmengen, die ihre Agenten sammelten, und die dann in den Firmenzentralen ausgewertet und zusammengefasst wurden.

Ihren Kunden konnten die Agenturen somit eine Vertrauensbasis in einer zunehmend anonymen und unsicheren Geschäftswelt bieten. Die Rating Agenturen waren aber auch Disziplinierungsinstrumente, die von den Werten der weißen angelsächsischen Mittelschicht geprägt waren. Sie wuchsen im neunzehnten Jahrhundert exponentiell; das Hauptbuch der Dun Agentur, die als Mercantile Agency 1841 von dem Seidenhändler Lewis Tappan gegründet worden war, enthielt 1859 10.000 Einträge; 1915 waren es bereits 1,8 Millionen. Dun & Bradstreet ist noch heute der führende Anbieter in diesem Bereich. Professor Berghoff wies außerdem darauf hin, dass die relative Stärke der Credit Rating Agenturen auch ein Ausweis für die relative Schwäche des amerikanischen Bankensystems war. Geschäftsleute in Deutschland dagegen verließen sich – nicht zuletzt aufgrund der geringeren geographischen Ausdehnung des Landes – eher auf die Auskünfte der lokalen Handelskammern für die Herstellung von Geschäftskontakten und Informationen über Vertrauenswürdigkeit. Dennoch konnte sich das System des Credit Rating im deutschen Kaiserreich etablieren, nicht zuletzt, weil auch dessen Exporteure zunehmend auf Informationen über ihre globalen Handelspartner angewiesen waren.

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Ausstellung "Der Kampf um die Bürgerrechte – afroamerikanische GIs und Deutschland"


15. März 2011

AusstellungSeit dem Zweiten Weltkrieg waren fast drei Millionen afroamerikanische Soldaten und ihre Familien in Deutschland stationiert. Viele von ihnen hatten zuvor das nationalsozialistische Regime mitbesiegt. Ihre Erfahrungen als Teil der amerikanischen Besatzungsarmee im besiegten Deutschland, wo es im Gegensatz zu den USA keine institutionalisierte Rassentrennung gab, befruchteten den Kampf schwarzer Amerikaner gegen Rassismus und für ihre Bürgerrechte – ein Aspekt der schwarzen Bürgerrechtsbewegung, der bis jetzt wenig beleuchtet war. In den 1960er Jahren wurde nicht zuletzt die deutsche Studentenbewegung zu einer Plattform für die Anliegen afroamerikanischer Soldaten. Diese Erfahrungen sind in einem digitalen Archiv und der Fotoausstellung dokumentiert, die im März und April nach vielen Stationen, u.a. in Berlin, München, Hamburg und San Francisco, am HCA zu Gast ist. Das Spektrum der Ausstellungsobjekte reicht von Fotos schwarzer GIs bei Kriegsende über Cartoons der Nachkriegszeit und Flugblätter bis zu einem Solidaritätsplakat für Angela Davis.

In dem Begleitprojekt unter der Leitung der beiden Ausstellungskuratoren Prof. Dr. Maria Höhn vom Vassar College und Dr. Martin Klimke vom HCA und vom Deutschen Historischen Institut in Washing­ton, DC, gehen Wis­senschaftler dieser drei Institutionen unter anderem der Frage nach, in welchem Um­fang die Er­richtung von US-Militärstützpunkten außerhalb Nordamerikas die Anliegen der afroamerikanischen Bürgerrechts­bewegung inner­halb der USA gefördert hat. Das digitale Archiv dokumentiert die Erfahrungen, die afroamerikanische Soldaten, Aktivisten und Intellektuelle in Deutsch­land während des 20. Jahrhunderts gemacht haben und erweitert damit die Geschichte der afroamerikanischen Bürger­rechtsbewegung über die Grenzen der USA hinaus. Mit der Fotoausstellung „Der Kampf um die Bürgerrechte“ nutzt das HCA sein 2009 eingeweihtes Atrium erstmals als Ausstellungsraum und konnte sich bereits bei der Eröffnung über zahlreiche Besucher freuen, darunter Angehörige der amerikanischen Armee und der Rhein-Neckar Branch der National Association for the Advancement of Colored People.

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HCA: E-Mail
Letzte Änderung: 07.03.2013
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